Bergtour 2009 - Großvenediger

technische Daten:

Streckenlänge : - ca.29km

Höhenunterschied : - ca.2336m

Dauer : - 3 Tage

genauer Ablauf: Hinterbichl[1330m]-Johannishütte[2121m]-Defreggerhaus[2962m]-
Großvenediger[3666m]-Hinterbichl

Donnerstagnachmittag

Abreise aus Sosa. Anreise zu unserem Übernachtungsziel östlich von München.
Ein heftiges Sommergewitter begrüßt uns im Alpenvorland. Unsere Gastgeber
sind supernett. Wir verbringen einen schönen Abend miteinander.

Freitag

Über brechend volle Bundesstraßen geht es sehr schleppend Richtung Österreichische
Grenze voran. Wir erreichen die Biathlonhochburg Ruhpolding und bald danach
auch Reit im Winkel. Viel zu langsam gehts auch in Österreich weiter.
Wir queren das Kaisergebirge und die Stadt der "Schönen und Reichen" mit der Streif
und dem Tennisstadion und nähern uns schließlich dem Paß Thurn.
Unser Zeitplan ist aus dem Lot. Deshalb sind wir gezwungen, hier kurz zu telefonieren.
Die Nachricht aus dem Bergführerbüro ist nicht so toll, am Sonnabend wirds leider nichts
mit dem Aufstieg auf den Gipfel. Das Wetter wird zu schlecht sein, aber wenn wir
am Sonntag wollen, dann gehts!
O.K. - wir lassen uns überreden und buchen die Hüttenübernachtungen um.
Heute Nachmittag solls also nur bis zur Johannishütte gehen.
Durch den Felbertauerntunnel erreichen wir nach Löhnung der Straßenwegelagerer-
pauschale endlich das schöne Osttirol. In Matrei biegen wir rechts ab ins Virgental.
Unser Parkplatz ist nun bald erreicht. Eine Lücke ist gerade noch frei für uns.
Glück gehabt! Hinterbichl - gratis Parken - 12.12 Uhr
Wir machen den Kofferraum auf und uns startklar. Alles, was wir jetzt als unnötig
erachten, bleibt im Auto zurück. Dann reiben wir uns verwundert die Augen.
Der Golf neben uns hat ein ganz bekanntes Nummernschild - ASZ -
was für eine Überraschung! Nun geht es aber endlich richtig los!
Steil bergauf und Richtung Norden, an mehreren Steinbrüchen (Serpentin) vorbei,
nehmen wir Höhenmeter um Höhenmeter. Zeitdruck haben wir nun keinen mehr für
diesen Tag, irgendwann wollen wir auf der Johannishütte ankommen,
das ist das einzige Tagesziel. Wir schwitzen mächtig,
fotographieren und schauen uns um und gegen 15.20 Uhr haben
wir die Johannishütte vor Augen.
Auch in 2121 m Höhe ist noch ein Biergarten offen.
Wir staunen und nutzen die gute Gelegenheit.
Noch schnell eine SMS nach Hause schicken - doch, was ist das?!
- Pustekuchen, kein Empfang mehr!
Nach der vorläufigen Entsorgung der Handys haben wir noch
Lust, die Gegend um die Johannishütte herum zu erkunden.
Eisbrücken vom letzten Winter sind hier überall noch zu sehen,
mit denen ging es schon kurz hinter unserem Start in Hinterbichl los.
Hier oben treten sie noch vermehrter auf.
Die Murmeltiere liefern ein perfektes Pfeifkonzert ab, sie zeigen sich jedoch kaum mal.
Gute Fotos von den pfeifenden Banausen sind da heute leider nicht drin, dafür ist es
einfach nicht sonnig genug.
Nach unserer Rückkehr von dem Erkundungsgang freuen wir uns nun auf ein ordentliches
Abendbrot und wir werden nicht enttäuscht!
Hier auf der Johannishütte gibt sich das eingespielte Hüttenteam keine Blöße.
Es stimmt einfach alles im Service. Nach dem Abendbrot überfällt uns eine gewisse
Bettschwere. Kaum haben wir es uns in unseren Schlafsäcken auf den Matratzenlagern
bequem gemacht, bricht draußen die Hölle los. Ich denke manchmal, die Hütte hebt ab
und fliegt mit uns davon.
Dann siegt schließlich doch irgendwann die Müdigkeit über den tobenden Gewittersturm.

Sonnabend

Es muß so um 7 Uhr herum gewesen sein als ich erwachte. Trotz des heftigen nächtlichen
Gewitters hatte ich gut geschlafen. Die Johannishütte war Gott sei Dank standhaft
geblieben. Steffens Schlafplatz sieht verlassen aus. Er inspiziert wahrscheinlich
schon das Vorfeld der Hütte, schaut nach dem Wetter und den Wegeverhältnissen.
Beim Frühstück treffen wir uns wieder. Die Hüttenwirtin meint, das fürchterliche
Gewitter der Nacht war nix besonderes!
Nahe am Tresen frühstückt eine Mannschaft, die wir gestern beim Abendbrot noch nicht
gesehen haben. Sie lassen es sich tüchtig gut gehen, zu so früher Stunde schon!
Wir staunen! Nach dem Frühstück müssen wir uns entscheiden, was wir tun wollen.
Wir könnten eine 3000er Gipfeltour machen und nach der Rückkehr zur Johannishütte
noch zum Defreggerhaus aufsteigen. Der Wetterbericht sagt aber nichts gutes voraus.
Momentan ist es trocken und wir sollten deshalb unverzüglich zum Defreggerhaus
aufsteigen, um unsere schweren Rucksäcke loszuwerden und unser Tagesziel zu er-
reichen. Sicher ist sicher. Halb neune starten wir durch.
Anfangs geht alles klar. Irgendwann sind wir so von den vielen Murmeltierbauen,
der Pflanzenfotografie und den ersten Schneeschauern abgelenkt, dass wir vom
markierten Weg abkommen. Als uns das klar wird, wirft es uns aber nicht aus der Bahn.
Unsere langjährige alpine Erfahrung kommt uns da zu Gute. O.K. - lösen wir das
Problem, indem wir einen Schnitt machen, den Murmeltierhang hinauf. Dort oben muß
der markierte Weg doch sein! Unser Orientierungssinn enttäuscht uns nicht. Wir finden
den Wanderweg wieder und bald darauf ist auch die Kernzonengrenze des Nationalparkes
Hohe Tauern erreicht. Weiter oben kommt schon das Defreggerhaus in Sicht und das
erste kleine Schneeband ist zu queren.
Gleich wird das Defreggerhaus erreicht sein, doch was wuselt denn da vor uns herum?
Schneehühner - eine ganze Gruppe! Durch ihr perfekt angepasstes Sommerkleid sind sie
auf und zwischen den Steinen kaum auszumachen. Das gibt tolle Fotos!
Um elfe sitzen wir in der um diese Zeit total verlassenen Gaststube des Defreggerhauses
herum. Draußen geht wiedermal ein Schneeschauer nieder. Da zieht auf einmal die
Mannschaft, der wir heute früh schon beim Frühstück auf der Johannishütte begegnet
sind draußen an den Fenstern vorbei in Richtung Gletscher.
Jetzt macht es bei uns "klick". Es ist eine Bergwachttruppe, die zum Übungsnachmittag
aufbricht. Sie haben Aprilwetter mitgebracht.
Schneesturm - Nebel - Sonne - Schneesturm - Sonne - so geht es den ganzen Nachmittag
weiter. Wir nutzen die kurzen Sonnenphasen, um ein paar Panoramen in 3000 Metern
Höhe zu schießen. Die Bergwachtübung - Bergung aus einer Gletscherspalte - können wir
dank des Nebels akustisch gut verfolgen, obwohl wir doch weit entfernt vom Geschehen
sind und nur erahnen können, wo ungefähr unsere Bergwächterchen üben.
Abends ist die Gaststube des Defreggerhauses brechend voll.
Durch aufmerksames Zuhören erfährt man schnell, wer morgen die Gipfeltour zum
Großvenediger mit dem Bergführer Sigi gebucht hat.

Sonntag

Ich faß es nicht, ´ne frostige Nacht war das, mitten im Sommer, Ende Juli!
In fast 3000 Metern Höhe konnte ich nicht wirklich schlafen.
Total übermüdet geht´s ans Gurte anlegen. Unser Bergführer Sigi überprüft, ob wir beim
Anlegen nicht getrieft haben und ob alles korrekt sitzt.
Einer aus der gebuchten Seilschaft hat Kopfschmerzen und gibt den Gipfelsturm auf.
Für uns Restliche geht es bereits kurz nach sieben los. Zuerst haben wir eine halbe Stunde
Aufstieg über Geröll zu bewältigen, ohne dass wir an die Leine müssen. Dann kommt der
Einstieg auf den Gletscher und damit die Leine ins Spiel. "Stabilitätsstöcke", die wir vom
Bergführer spendiert bekommen haben, werden wir vor allem am Gipfelgrat brauchen.
Steigeisen werden nicht benötigt. Eine Seilschaft nach der anderen "stolziert" nun über den
Gletscher. Aus allen Himmelsrichtungen streben sie dem Gipfel der Genüsse entgegen.
Aus der Ferne sehen sie wie Ameisenkolonnen aus.
Erst nach der Hälfte des Aufstieges begreifen wir, was für ein großes und beeindruckendes
Gipfelvorfeld zu überwinden ist, bevor wir endlich den Finalanstieg und den Gipfelgrat
vor uns haben. Nachdem die "Gipfelgratzittereinlage" geschafft ist, lässt uns Sigi von der
Leine und es geht ans Fotografieren. Strahlend blauer Himmel mit Sichtweiten bis in die
Schweiz hinein sind der Lohn dafür, gestern den Gipfelsturm nicht erzwungen zu haben.
Für ein Mädel aus unserer Seilschaft schlägt Sigi ein paar Stufen ins Eis, damit sie mal
abseits des überlaufenen Gipfelplateaus wegtreten kann. Danach holt Sigi sein Handy
heraus und prüft, ob er von hier oben telefonieren kann. Wir sind nun schon zwei Tage
(seit der Johannishütte) ohne telefonischen Kontakt nach Hause unterwegs. Unsere Handys
liegen noch im Defreggerhaus. Wie schön!
Nachdem wir das Gipfelerlebnis ordentlich ausgekostet haben, geht es nun an den Abstieg.
Der Schnee ist mittlerweile recht weich geworden - Mittagszeit - und Sigi zieht das Tempo
ordentlich an. Teilweise rennen wir fast schon bergab.
Der letzte Höhepunkt der Tour ist die Begegnung unserer Seilschaft mit ein paar
Gletscherspalten. Wir Erzgebirger haben in unserer Heimat ja schon oft in offengelassene
Schächte von oben hineingeschaut. Mit diesen Gletscherspalten ist es ganz ähnlich,
teilweise furchteinflößend, teilweise wunderschön und unvergesslich.
Bald darauf sind wir vom Gletscher runter. Wir befreien uns so schnell wie möglich von der
Leine. Sigi ist sicher froh, die Runde gut geschaukelt zu haben und nun geht es fast
fluchtartig an den Tresen des Defreggerhauses, um ein paar Radler zur Brust zu nehmen
und um unseren "Wasserhaushalt" zu stabilisieren.

Außerdem versehen wir hier ein paar Ansichtskarten mit dem Gipfelstempel als Andenken
an diese tolle Tour. Wir feiern unseren ältesten Teilnehmer, der vor kurzem 70 geworden
ist und die Runde von seiner Frau geschenkt bekam. Mit Bravour hat er heute
durchgehalten. Ob wir in diesem Alter noch so fit sein werden? Wir wissen es nicht.
Wir wissen jetzt nur, dass heute noch rund 800 Höhenmeter im Abstieg vor uns liegen, bis
wir die Johannishütte erreicht haben werden.
Von dort aus fahren die Hüttentaxis ins Tal hinunter und dann können wir von Hinterbichl
aus auch wieder zu unseren Liebsten daheim Kontakt aufnehmen, ihnen mitteilen, dass
alles gutgegangen ist und wir bald wieder zu Hause sein werden.

Also - auf was warten wir noch? Auf geht´s!

CHN


[Panorama in der Nähe vom Defreggerhaus]

[Bilder von der Tour]

[Bergführer Prägraten] [Johannishütte] [Defreggerhaus]

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